Das Graffito „Partnerschaftsgewalt ist (D)eine Entscheidung“ entstand im Sommer- und Wintersemester 2024/2025 als Teilprojekt von „PartnerschaftOhneGewalt“ im Rahmen der Lehrveranstaltung „Innovative Praxisentwicklung und -forschung“ im Masterstudiengang Soziale Arbeit an der Hochschule RheinMain.

Wir, eine Gruppe von fünf Studentinnen, haben uns für ein Graffito als künstlerische Ausdrucksform im öffentlichen Raum entschieden, weil Graffiti vor allem von jungen Menschen geschätzt werden und die Zielgruppe unserer Multimediakampagne „PartnerschaftOhneGewalt“ insbesondere junge männlich Erwachsene sind. Bei Graffiti handelt es sich um eine kraftvolle Ausdrucksform, die viele Menschen erreichen kann. Daher scheint uns diese Kunstform besonders geeignet, nicht nur für das Problem der Gewalt in Paarbeziehungen zu sensibilisieren, sondern auch über das Hilfe- und Unterstützungsangebot der Täterarbeit zu informieren.

Für die Entwicklung des Graffito haben wir uns intensiv mit den verschiedenen Formen der Partnerschaftsgewalt auseinandergesetzt. Das finale Motiv ist sorgfältig gewählt, um ein aussagekräftiges und zugleich irritierendes, weil deutungsoffenes Bild zu schaffen. Wir haben die Figuren bewusst als Piktogramme gestaltet und auf möglicherweise ethnisch oder altersspezifisch zu lesende Merkmale verzichtet, um zu transportieren, dass Partnerschaftsgewalt in allen Schichten, in jeder Altersgruppe, mit und ohne Migrationshintergrund ausgeübt wird. Einzig das Geschlecht der dargestellten Figuren haben wir symbolisiert. Denn vorhandene kriminalstatische Daten zu Partnerschaftsgewalt weisen nach, dass überwiegende Männer Gewalt gegenüber der (Ex-)Partnerin ausüben.

Obwohl das Graffito auf den ersten Blick als Darstellung körperlicher Gewalt eines Manns gegen eine Frau erscheint, soll es eine tiefere Botschaft vermitteln. So wollen wir mit dem fliegenden Zopf der weiblich lesbaren Figur und dem auseinandergebrochenen Herz auch die Dynamik von Gewalt in Paarbeziehungen andeuten. Diese verläuft häufig zyklisch: in Phasen des Spannungsaufbaus, der Gewaltausübung, des Entsetzens über die Gewalt, der Wiederversöhnung und des erneuten Spannungsaufbaus.
Die bildliche Platzierung der Figuren – das männlich lesbare Piktogramm mit gehobener Faust, die weit über den Kopf des weiblich lesbaren Piktogramms herausragt – soll das Motiv des Täters, Dominanz und Kontrolle ausüben zu wollen, symbolisieren und somit auf den patriarchalisch geprägten Machtmissbrauch hinweisen. Denn fortbestehende Ungleichstellung der Geschlechter, geschlechtsspezifische Rollenmuster und traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit begünstigen Partnerschaftsgewalt.

Als Trägermaterial für das Graffito haben wir eine Bodenschutzmatte verwendet. Deren milchige Struktur kann im Sinne der Undurchlässigkeit der überwiegend hinter den Türen des Privaten ausgeübten Gewalt für eine öffentlichen Wahrnehmung gedeutet werden. Zugleich symbolisiert diese Textur des Trägermaterials für uns die weiterhin zu beobachtende Tabuisierung von Partnerschaftsgewalt in der Gesellschaft und verweist zugleich auf die Notwendigkeit, gesellschaftliche Transparenz herzustellen, um diese Gewalt nachhaltig zu bekämpfen und bestmöglich primärpräventiv zu verhüten.

Gewalt in Partnerschaften ist ein unbeliebtes, weil als schwer bewertetes Thema. Die weite Verbreitung dieser Gewalt – jede vierte Frau in Deutschland ist bzw. war bereits von ihr betroffen – macht deutlich, dass intime Beziehungen, mehr als ein romantisches Liebesideal à la Hollywood Kino dies glauben macht, zu oft alles andere als „perfekt“, sondern geprägt sind von verschiedenen Formen der Gewalt. Auch unser Graffito ist nicht clean, nicht makellos. Es lässt sich aus der Wahrnehmung nicht einfach entfernen und nicht wegwischen. Ebenso lassen sich Gewalttaten und Gewalterfahrungen in Paarbeziehungen nicht einfach ausradieren oder ungeschehen machen, sondern hinterlassen Spuren – bei Opfer und Täter.

"Making of"-Video